Dieser Artikel stammt aus der antimilitärischen Zeitschrift tilt, Ausgabe 2/96

Stoppt das "Feierliche öffentliche Gelöbnis" in Berlin!

Zum ersten Mal seit der letzten faschistischen Vereidigung auf Adolf Hitler beabsichtigt ein Armee - die Bundeswehr - ein "öffentliches feierliches Gelöbnis" in Berlin zu zelebrieren. Am 31. Mai 1996 blockiert das Militär mit seinem Verteidigungsminister Volker Rühe ab 14 Uhr den Spandauer Damm und hofft, mit 4 500 geladenen Gästen vor dem Schloß Charlottenburg ungestört Rekruten vereidigen zu können.

Seit der Wiedervereinigung fanden Bundeswehrgelöbnisse in Berlin entweder außerhalb der Stadt oder halböffentlich in Kasernen bei strenger Eingangskontrolle statt.

Bereits 1995 trat die Bundeswehr an den Berliner Senat mit dem Wunsch heran, "ihre" Rekruten öffentlich Kampfbereitschaft geloben zu lassen. Wegen der befürchteten Proteste und Gegenaktionen sowie Abstimmungsschwierigkeiten unter den Politikern in Bonn und Berlin zog es die Bundeswehr dann doch vor, sich hinter die Kasernentore der Julius-Leber-Kaserne zurückzuziehen.

1996 soll nach Ansicht des Bundesverteidigungsministeriums mit der Linie der Zurückhaltung gebrochen werden. Militaristische Präsenz der Bundeswehr bei der Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA in Berlin-Schönefeld, Vereidigung, NatoRatstagung 3./4.6.1996, Jahreshauptversammlung der Feldjäger vom 2.-6.10.96 und alltägliche Präsenzsteigerung in der Öffentlichkeit sind nur einige Marksteine auf dem beabsichtigten Weg zur militärischen Hauptstadt. Gestärkt durch die neue taktische Waffe Innensenator Jörg Schönbohm glauben sich die Militärs nun in sicherer Umgebung und möchten das Gelöbnis zu einer feierlichen Demonstration der Verbundenheit zwischen Armee und Volk werden lassen. Mögliche Proteste und Störungen wird die Polizei mit einem Großaufgebot und weiträumigen Absperrungen zu unterbinden versuchen.

Die Zeremonie des Gelöbnisses hat für die Bundeswehr eine doppelte Funktion: Einmal die Innenwirkung auf den Wehrpflichtigen und andererseits die Wirkung nach außen, vor allem auf die zivile Bevölkerung. Der Wehrpflichtige wird durch die Feierlichkeit und den öffentlichen Charakter der Veranstaltung in eine besondere Stimmung versetzt, die ihn stark an sein Versprechen, tapfer das deutsche Vaterland zu verteidigen, bindet. In dieser Stimmung wird der Rekrut auf seine Todes- und Tötungsbereitschaft eingeschworen. Die ergriffenen Zuschauer dagegen werden durch diese Zeremonie auf die "Opferung" ihrer Söhne vorbereitet. In dem erhabenen Schauspiel werden die Söhne der Obhut der Armee übergeben. Zu diesem Opfer sind die Eltern aber nur fähig, wenn sie von der Idee nationaler Zugehörigkeit trotz aller ihrer Irrationalität überzeugt werden. An dieser gesellschaftlichen Außenwirkung ist die Bundeswehr derzeit speziell in Berlin interessiert; eine Hauptstadt mit vierzigjähriger militärischer Entwöhnung (im Westteil) ist für die Hardthöhe ein unerträglicher Gedanke; die Berliner müssen wieder an das Militär gewöhnt werden. Es reicht daher nicht aus, sich nur abfällig gegen ein solches Spektakel zu äußern und es ansonsten zu ignorieren. Das Militär muß zu spüren bekommen, daß die Straße und öffentlichen Plätze nicht willfährig zu seiner Verfügung stehen. Deshalb wollen wir die Militarisierung des öffentlichen Raumes verhindern, deshalb dulden wir bereits im Vorfeld nicht, daß die Tötungsbereitschaft zur Schau gestellt wird, und deshalb organisieren wir vielfältig den Widerstand.


Christian Herz, Andreas Schroth

Die "Aktion Gelöbnis verhindern" ruft auf zur Demonstration am 31. Mai 1996 um 13 Uhr ab Richard-Wagner-Platz.
Info: 61 50 05 30/31

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