Honduras: Erfolgreich den Tiger geärgert

Militär entmachtet, Wehrpflicht abgeschafft

Wer einen Menschen vom Leben zum Tode befördern mag, findet dafür beim honduranischen Militär alles Notwendige. Nicht nur in dem Sinne, in dem man bei jeder Armee der Welt alles Notwendige dafür findet. In den militäreigenen Waffenläden gibt es die Knarre dazu, das militäreigene Bestattungsunternehmen organisiert die Beerdigung auf dem militäreigenen Friedhof, der Zement für die Grabplatte liefert das militäreigene Zementwerk, und die getragene Musik spielt der militäreigene klassische Musiksender.

Thehna Mejia hat im Auftrag der Arias-Stiftung für den Frieden die Rolle des Militärs in Honduras erforscht. Mit dem politischen Machtverlust ging die wirtschaftliche Eroberung der Gesellschaft durch die Militärs einher. Resultat: Der Armee gehört heute eine Bank mit 30 Filialen, eine Versicherung, eine Investment- und eine Börsengesellschaft, eine Wach- und Schließgesellschaft, ein Verlag, landwirtschaftliche Betriebe und ein Metallunternehmen. Das Militär mit seinen Betrieben zählt zu den 25 größten Unternehmen des Landes. Und die Offiziere nutzen die Gelder der Armee-Pensionskassen für ihre Investitionen – sehr zum Ärger ihrer zivilen Konkurrenten.

1982 war es mit der zwanzigjährigen Militärherrschaft im Land pro forma vorbei, aber die Generäle behielten weiterhin die Zügel in der Hand. Sie bekamen großzügige Hilfen aus den USA und hatten alle Schlüsselpositionen besetzt. Telefongesellschaft, Handelsmarine und Einwanderungsbehörde waren in Händen der Militärs, die dadurch Verwandten und Bekannten lukrative Jobs verschaffen und dunkle Geschäfte mit honduranischen Pässen machen konnten.

Mit dem Ende des Kalten Krieges war es jedoch mit der Uncle Sams Subventionsherrlichkeit vorbei, und die Militärs mußten sich wärmer anziehen. Als 1991 eine Studentin ihren Freund in der Kaserne besuchen wollte, nicht mehr zurückkam und ihre Leiche drei Tage später von Journalisten gefunden wurde, wanderten erstmals Offiziere wegen Menschenrechtsverletzungen ins Gefängnis.

Als nächstes setzte die Bevölkerung die Abschaffung der Wehrpflicht durch. Bis dahin glich die Einberufung einer Menschenjagd. Junge Honduraner wurden auf offener Straße eingezogen und in die Kasernen entführt. Als 1994 der Menschenrechtsanwalt Carlos Roberto Reina die Präsidentschaft übernahm und Unternehmer und Kirchenmenschen in den Hungerstreik gegen die Wehrpflicht traten, war es 1995 aus mit ihr.

Heute gibt es für den Sechs-Millionen-Einwohner-Staat nur noch eine Armee von 6000 Mann. Telefongesellschaft, Handelsmarine und Einwanderungsbehörde wurden zivilisiert, der Präsident löste die Polizei aus der Militärstruktur, und auf dem Ausbildungsplan der jungen Soldaten stehen heute auch Kurse über die Einhaltung der Menschenrechte.

»Verärgert den Tiger nicht«, hatten einst die Militärs gedroht, als man begann, ihnen den Einfluß zu entziehen. Inzwischen wirkt der Tiger recht zahnlos – nur das Wirtschaftsimperium bleibt den Mächtigen von einst. Ihnen diesen Zahn auch noch zu ziehen, wird noch ein harter Job für die honduranische Friedensbewegung.

Thomas Schüsslin

 

Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 2/92 entnommen.