Kritik wird klein geschrieben

Der Keiler: Deutsches Soldatenblatt in Bosnien

Eins hat er ja, der Rolf Ahrens: Humor. Wenn auch unfreiwilligen: »Es gibt hier Soldaten, die gern das Feuilleton der FAZ im ‚Keiler‘ wiederfinden würden.« Der Mann arbeitet als Redaktionsleiter eines Soldatenblattes, und die, die da angeblich gern hochgestochen und bleilastig über Opern-Premieren informiert werden wollen, sind Mitglieder des deutschen Kontingents der »Friedenstruppe« in Bosnien-Herzegowina und Kroatien.

Vor den Fenstern der Redaktion liegen Sandsäcke, der Redaktionschef trägt eine schlammbespritzte Uniform. Das Blatt kommt seit 1997 jeden Montag in Sarajevo heraus und ist seitdem doppelt so oft erschienen wie tilt. Der martialische Zeitschriftentitel bezieht sich nicht nur auf den wilden Eber, sondern auch auf den gleichnamigen Minenräumpanzer der Bundeswehr. »Wühlen und aufräumen«, das, findet die Redaktion etwas vollmundig, seien die Jobs nicht nur des Panzers, sondern auch des Blattes. Kritik taucht bestenfalls mal in der Bildzeile zum Thema Rüstungsexporte in einem kleinen Fragezeichen auf (»Auf dem richtigen Weg?«), ansonsten erschöpft sich der engagierte Journalismus beim Kampf der wilden Wutz für kürzere Laufzeiten bei der Feldpost oder gegen die karge Kost der Feldküche. Aber der Chef der Pressestelle im Einsatzgebiet, Oberstleutnant Manfred Dormeier, liest als Herausgeber jede Wildsau-Ausgabe von vorne bis hinten durch, auf das es auch ja nicht zu wühlerisch werde. Wenngleich, wie er beteuert, er dabei nur selten etwas ändere und die Redaktion bei der Themenauswahl freie Hand habe. Tabu ist aber Kritik an einer der ehemaligen Kriegsparteien oder an den Truppen anderer Länder, die in Bosnien im Einsatz sind. Es könnte ja sein, daß man sich bei Berichten über feige und kinderfolternde Holländer auch einmal an die eigene Nase fassen müßte.

Thomas Schüsslin

 

Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 2/98 entnommen.