Spanien: Wehrpflicht? Reines Glücksspiel!

Einberufung per Lotterie sorgt für böses BIut

Die Generäle wollten doch alles richtig machen: Sie liehen sich von der spanischen Nationallotterie sechs glitzernde Lostrommeln, und in Militärsporthalle ging's dann los: Da 165 342 junge Menschen auf der Einberufungsliste der spanischen Armee für 1998 standen, dort aber nur 148 900 Plätze zur Verfügung stehen, sollten die 16 422 glücklichen ausgelost werden, die nicht zum Barras müssen. Das Verfahren ging den Militärs gründlich in die Uniformhose.

Kaum hatten die Soldaten – unterstützt von einem Lotterietechniker vor etlichen Femsehkameras und hunderten potentiellen Wehrpflichtigen die Nummer 155 611 gezogen, ging das Gejammer los – und die Generäle erlebten ihr statistisches Waterloo.

Mathematik-Professoren rechneten vor, daß bei dem hübschen Kugelspiel ein Drittel der Wehrpflichtigen um 33 Prozent bessere Chancen gehabt hätten als die übrigen 100 000, der Wehrpflicht zu entkommen. Beim Soldaten-Ombudsmann liefen die Telefone heiß; Tausende wollten wissen, wie sie die Auslosung anfechten können. Verteidigungsminister Eduardo Serra berief sich bei der Verteidigung der Verlosung auf das Ansehen der Nationallotterie. Aber deren Direktion erklärte nämlich entrüstet, man habe nur die Geräte ausgeliehen. Für das umstrittene Verfahren seien die mathematisch unbewanderten Komißköppe bitteschön selbst verantwortlich.

Unterdessen ist aber das gesamte Verfahren wahrscheinlich hinfällig, denn die Zahl der Verweigerer erreichte 1997 mit mehr als 110 000 eine neue Rekordmarke (tilt 4/97). Das Militär kann dadurch wohl alle jungen Männer brauchen, die es kriegen kann. Und allzu lange geht das Lotteriespiel um die Wehrpflicht ohnehin nicht mehr gut: Bis 2003 soll Spanien eine Berufsarmee haben.

Thomas Schüsslin

Dieser Text wurde der tilt-ausgabe 2/98 entnommen.