In Kroatien gibt es zwar ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung, aber noch keine KDVer. Jetzt sollen auch die serbischen Bürger Kroatiens zu den Waffen gerufen werden. Gerade für sie ist ein funktionierendes Verweigerungsrecht wichtig. Unser Autor Michael Grabner arbeitet im Centre for Peace im kroatischen Osijek und hat fast täglich mit diesen Problemen zu tun.
Artikel 47 der kroatischen Verfassung räumt den Bürgern grundsätzlich das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ein: »Die Wehrpflicht und die Verteidigung der Republik ist die Verpflichtung aller tauglichen Bürger. Verweigerung aus Gewissensgründen ist jenen erlaubt, die wegen ihrer religiösen oder moralischen Anschauungen nicht bereit sind, an der Ausführung der militärischen Verpflichtung in den Streitkräften teilzunehmen. Diese Personen sind verpflichtet, andere durch das Gesetz bestimmte Pflichten zu erfüllen.«
Wer verweigert, soll 15 Monate Zivildienst leisten fünf Monate länger als ein Wehrdienstleistender. Der Verweigerer leistet laut Gesetz »in der Regel seinen Zivildienst in den Streitkräften, ohne dabei Waffen zu tragen oder zu benutzen«. Der Zivildienst kann auch in Wirtschaftsbetrieben, bei der Eisenbahn, in Kinder-, Erziehungs- und Altersheimen, Krankenhäusern, Gerichten oder Ministerien abgeleistet werden aber dies ist eben nicht die »Regel«.
Es gibt noch keinen »real existierenden« Zivildienst in Kroatien. 1995 gab es lediglich 400 KDV-Anträge, 1996 immerhin schon 600. Es handelt sich bei den Antragstellern meist um ältere Kriegsdienstverweigerer, die schon im ehemaligen Jugoslawien ihre zweijährige Wehrpflicht abgeleistet hatten und jetzt nachträglich Zivildienst leisten wollen. Diese Männer kommen meistens aus der Friedens- und Menschenrechtsbewegung und wissen über ihre Rechte Bescheid.
Bei den jungen Wehrpflichtigen ist dies kaum der Fall. Was »Kriegsdienstverweigerung« oder »Zivildienst« ist, weiß kaum jemand, geschweige denn, daß es diese Möglichkeit in Kroatien gibt. Das Interesse daran ist auch nicht gerade groß. Zum einen dauert Zivildienst um die Hälfte länger als der Kriegsdienst, und man muß ihn meist in der Armee ableisten, wo man den Schikanen der bewaffneten Kameraden ausgesetzt ist. Zum anderen ist es verpönt, nicht zum Militär zu gehen. Wie wichtig der Militärdienst ist, habe man ja zur Zeit der »serbischen Aggression« gesehen. Und damit das nicht wieder passieren kann, sollte jeder junge Mann gefälligst zur Armee gehen. Während des Krieges 1991/92 haben viele kroatische Mütter ihre Söhne regelrecht unter dem Motto: »Ich habe meinen Sohn geboren, damit er für Kroatien kämpft andernfalls ist er nicht mein Sohn« in den Krieg geschickt.
Etwas heikler ist die ganze Sache im ehemals serbisch besetzten Ostslawonien, das jetzt zu Kroatien kam. Da dieser Landstrich auf friedliche Weise Kroatien eingegliedert wurde, sind hier viele Serben geblieben. Sie haben jetzt die kroatische Staatsbürgerschaft und unterliegen damit der Wehrpflicht. Für die jungen Serben hieße das: Sie müßten in einer ehemals feindlichen Armee dienen. Dies hat auch die kroatische Regierung (allerdings unter UN-Druck) eingesehen, und versprach deshalb im Februar 1997, bis zum Jahr 2000 keine Einberufungsbefehle nach Ostslawonien zu schicken. Eine zu kurze Zeit. Der Militärdienst ist mit ein Grund, warum in den vergangenen Monaten viele junge Serben nach England, Kanada oder Neuseeland ausgewandert sind, wo sie als politische Flüchtlinge anerkannt werden.
Dieses Versprechen der kroatischen Regierung gilt allerdings nur für Ostslawonien. Die nach Westslawonien oder in die Krajina-Region zurückgekehrten Serben genießen keine Sonderrechte. Verteidigungsminister Susak: »In diesem Gebiet [Knin] haben wir 2100 Serben für den Militärdienst registriert. Diese Serben haben sich aber nicht in Knin eingeschrieben, sondern in Ostslawonien. Ich werde ihnen die Einberufung nach Knin schicken. Wenn sie nicht kommen, sind sie für mich Deserteure. Wenn sie nach Knin kommen wollen und hier leben, der kroatischen Armee dienen, kroatische Gesetze respektieren und alle Verpflichtungen und Rechte als kroatische Staatsbürger übernehmen, dann sind sie willkommen. Andernfalls haben sie nichts in Kroatien zu suchen.«
Die »Union 47«, der kroatische Verband für Kriegsdienstverweigerung, und die serbische Führung in Ostslawonien haben darauf heftig reagiert und nochmals auf die gesetzliche Möglichkeit der Gewissensverweigerung hingewiesen. Dem selben Zweck dient die Zivildienstkampagne des Friedenzentrums Osijek, die jetzt verstärkt in serbischen Ostslawonien betrieben wird. In Workshops wird von einer Anwältin des Friedenszentrums die rechtliche Situation dargelegt, während der Autor dieses Artikels über seinen Zivildienst in Österreich berichtet. Vor allem die Mütter sind daran interessiert, daß die Söhne nicht zum Militär müssen: »Ich weiß noch, wie im Winter 1991/92 18jährige Burschen bei minus 17 Grad an der Front liegen mußten. Ich will einfach nicht, daß meinem Sohn das einmal passiert. Es war einfach zu schrecklich!« Neben diesen Workshop betreibt das Friedenszentrum Osijek auch auf andere Weise Aufklärungsarbeit. So wurden eigens zum Thema Zivildienst Informationsbroschüren herausgegeben und in Ostslawonien unter die jungen Männer verteilt. Es gibt eine eigene Zivildienstberatung, und notfalls wird Rechtsbeistand gewährt. Aus gutem Grund. Schließlich sind in dieser Gegend die Folgen des Kriegsdienstes noch sichtbar und nicht so schnell wieder gut zu machen.
Michael H. Grabner
Kontakt: Centre for Peace, Non-iolence and Human Rights, Kersovanijeva 4, HR-31000 Osijek, Kroatien Fon und Fax: ++3 85/ 31/12 32 18; e-mail: MIR_OS@ZAMIR-ZG.ZTN.APC.ORG