Wehrpflicht? Nee, ohne mich!

Wehrpflicht? Ohne uns!

Reader zur Totalen Kriegsdienstverweigerung

Die Wehrpflicht macht ihn unentbehrlich: Den Reader zur Totalen Kriegsdienstverweigerung (TKDV). Dieser beinhaltet Essays und anwendbare Vorschläge, wie mit der Bundeswehr im allgemeinen und den Zwangsdiensten im besonderen, umzugehen ist.
Durchgehend diskutiert der Reader Themen, die sich auf breiter Ebene mit der Problematik der TKDV beschäftigen. Die im Dezember 96 erschienene 5. Auflage wurde durch einen Adreßteil und eine Prozeßstatistik erweitert. In dieser wird eine detailierte Auskunft über rund 40 TKDV-Urteile zwischen Dezember 1995 und November 1996 gegeben. Fazit: Totalverweigerer müssen im Durchschnitt mit einer "Strafe zwischen 90 und 180 Tagen - in Tagessätzen bzw. Bewährungsstrafen" rechnen. Gefängnisstrafen ohne Bewährung dagegen seien selten.
Ein Artikel behandelt ausführlich den Weg, den die Jungs zumeist schon im zarten Alter von 17 Jahren einschlagen müssen. Wie ist mit der Wehrerfassung umzugehen? Mit anschaulichen Beispielen wird verdeutlicht, wie die erste militärische Pflichtveranstaltung verzögert werden kann. Es werden Möglichkeiten und eventuelle Konsequenzen einer Musterungsverweigerung durchgespielt. Zudem beschreibt der Artikel, was die Militaristen bei Totalverweigerung, polizeilicher Vorführung, Prozeß und Arrest mit den TKDVern so anstellen. Ergänzend knüpft eine "Checkliste für den Arrest" an. Demnach ist es besonders ratsam, im Falle eines Aufenthalts auf Staatskosten eine Reiseschreibmaschine, Tesafilm, Kleingeld und Briefmarken bei sich zu haben. Für den Dandy-TKDVer erweist sich auch ein Handy als überaus praktisch, um aus der 6qm großen Zelle einen Kontakt nach draußen zu herzustellen. Besuch ist in der Regel nur eine Stunde pro Woche gestattet.
Der Reader richtet sich aber nicht nur an TKDVer und Symphatisanten, sondern auch an die Medienvertreter, deren Mitarbeit einen enormen Stellenwert einnimmt. Für Interessierte finden sich Anregungen, eine kreative Öffentlichkeitsarbeit zu gestalten. Eine Möglichkeit die Bundeswehr mehr als nur zum Narren zu halten ist diese: Rechnet ein TKDVer mit einem Besuch der Feldjäger, könnte er seine Wohnung mit einem Freund tauschen. Ein möglicher Fluchtversuch beim Auftauchen der Feldjäger mag ihn als Zielperson erscheinen lassen. Eine mögliche Festnahme - Achtung: Vorher Ausweis "verlegen" - könnte für eine Menge Spaß bei Bekanntwerden des Skandals sorgen. Für die Bundeswehr allerdings würde es äußerst peinlich, denn ein falscher Deserteur in der Zelle gibt in der Öffentlichkeit kein positives Bild der "tollen Truppe" ab. Für die Medien ein willkommener Skandal. Nun wäre eine kontinuierliche und agressive Öffentlichkeitsarbeit der Medien besonders effektiv. Im Anhang werden verschiedene Adressen genannt, die dies tun und bei denen man mitmachen kann. Außerdem finden sich dort Anschriften diverser RechtsanwältInnen im ganzen Bundesgebiet, sowie verschiedener Organisationen. Übrigens: Nach Angaben des Readers bekäme die Bundeswehr hinterher Probleme gegen den Freiwilligen gerichtlich vorzugehen.
Der Ersatzdienst wird in dem Reader als das bezeichnet was er ist, nämlich ein Kriegsdienst, da Zivildienstleistende im Falle eines bewaffneten Konfliktes ebenso herangezogen werden wie Soldaten.
"Nicht nur der wird schuldig am Krieg, der den Waffeneinsatz befiehlt und der diesen Befehl ausführt, sondern auch alle, die diesen Befehl und seine Ausführung durch ihr vorbereitendes und begleitendes Handeln ermöglicht oder es nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten sabotiert haben." (Rechtsanwalt Ullrich Hahn) Außerdem sei der Ersatzdienst antisozial, weil es entwürdigend für behinderte und alte Menschen sei, von jungen Männern gewaschen zu werden. Zusätzlich vernichte der Zivildienst Arbeitsplätze.
Wer mit Kriegsdienstverweigerern Erfahrungen austauschen möchte oder überhaupt mehr zu dem Thema erfahren will, bekommt in dem Reader Informationen zu nationalen oder internationalen Veranstaltungen. Genaue Termine können bei der TKDV-Initiative in Braunschweig erfragt werden. Damit nun potentielle TKDVer nicht aus finanziellen Gründen abgeschreckt werden, dem Raub der individuellen Lebenszeit entgegenzutreten, wurden verschiedene Fonds eingerichtet. Aus diesem werden Gelder - z.B. für Prozeßkosten - vergeben.
Neben diesen leider immer noch notwendigen Angelegenheiten, lockern Cartoons den Reader auf. Aber lest doch einfach selbst.
Stefan Willms