"Ärzte ohne Grenzen" sind von Griechen enttäuscht

05.11.1999 | "Ärzte ohne Grenzen" schließen Griechen aus

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der Friedensnobelpreisträger 1999, die internationale Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" seine griechische Sektion ausgeschlossen. Den Griechen wird vorgeworfen, sich im Kosovokrieg satzungswidrig verhalten zu haben, indem sie ohne Zustimmung der anderen Sektionen in den Kosovo gegangen sind, um Hilfsgüter zu verteilen und Opfern zu helfen. Während die griechischen Medien in epischer Breite über den Vorfall berichten, kann man in deutschen Zeitungen oft nur in Randnotizen davon erfahren.
Nach griechischer Darstellung erfolgte der Ausschluß, weil die griechischen Ärzte im Kosovo Albanern, Serben, Roma und den anderen Volksgruppen gleichermaßen halfen. Die Ärzte wollten mit ihrer Hilfe nicht warten, bis die zentrale Organisationsleitung ihren Entscheidungs- und Richtlinienprozeß abgeschlossen hatte, da die Hilfe dringend notwendig gewesen sei.
Die Sprecherin der deutschen Sektion, Petra Meyer, warf den griechischen Ärzten und Medien in einem tilt-Gespräch vor, den Vorfall verzerrt und einseitig wiederzugeben. Nach ihren Angaben gab es einen Beschluß ihrer Organisation, zuerst die Lage im Kosovo zu erkunden, um die Hilfe koordiniert und sachgerecht leisten zu können. Dadurch sollte auch verhindert werden, daß "die Hilfe in falsche Hände" fällt. Nachdem die griechische Sektion bereits Hilfe geleistet hatte, soll sie ihre Informationen über die Lage im Kosovo nicht an die anderen Sektionen weitergegeben haben. Daraufhin wurden die Griechen im Juni zu zwei klärenden Gesprächen nach Brüssel zitiert. In Brüssel sollte den Griechen angeboten werden, als "Partnersektion" weiter mit "Ärzte ohne Grenzen" zusammenzuarbeiten. Die Griechen seien den Terminen jedoch ohne Entschuldigung fern geblieben, woraufhin sich alle anderen Sektionen für den Ausschluß der griechischen Sektion ausgesprochen hätten. 
Griechenland war neben Italien eines der wenigen NATO-Länder, das die Luftangriffe gegen Jugoslawien abgelehnt hatte. Wochenlang demonstrierte die Bevölkerung gegen die Bombardements und forderte eine friedliche Lösung. Nach Meinung der deutschen Sektionssprecherin Meyer wurde die griechische Sektion de facto durch die öffentliche Meinung in Griechenland unter Druck gesetzt und verstieß deshalb "gegen das Statut der Organisation".
Nach einem Bericht der Zeitung "junge Welt" vom 29.10. ist die griechische Sektion finanzielle selbständig. Anders als andere Sektionen verwaltet sie ihr Spendenaufkommen, aus dem auch die Hilfsgüter für das Kosovo bezahlt wurden, selbst. Die Pariser Zentrale soll über ein Budget von bis zu 500 Millionen US-Dollar verfügen, das zu einem großen Teil von der EU und den Regierungen der in der Organisation vertretenen Sektionen bezahlt wird, die zum großen Teil gegen Jugoslawien Krieg führten. Nach Angaben von Meyer wurden die Hilfen für das Kosovo jedoch nicht aus dem Spendentopf genommen, in Regierungen kriegführener Staaten eingzahlt hatten.
Unterdessen wurde die griechische Sektion von den anderen "Ärzten ohne Grenzen" aufgefordert, ihren Namen "zurückzugeben". Die Griechen fühlen sich aber weiter als Mitglied der Organisation und haben angekündigt, zur Verleihung des Friedensnobelpreises am 10. Dezember ebenfalls nach Oslo zu reisen. "Wir sind der Meinung, daß wir ebenfalls zu den Empfängern des Preises gehören", sagte ein griechischer Vertreter gegenüber der Presse. Folgerichtig schmückt die griechische WWW-Site auch das Logo des Nobelpreises.
Auf der internationalen WWW-Site der Organisation ist man offensichtlich der Meinung, daß der Konflikt den guten Ruf der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" beschädigen könnte. Die offizielle Geschichte der Organisation ist eine Aneinanderreihung von Erfolgen und Hilfseinsätzen - der Streit mit den Griechen kommt nicht vor. Auch bei der Beschreibung des Kosovo-Einsatzes der Ärzte, wurden die griechischen Aktivitäten ausgeblendet.