geheime Stationierung der USA aufgedeckt

24.10.1999 | Stationierungs-Geheimnis der USA gelüftet

Die USA hatten von 1945 bis 1977 in insgesamt 27 Ländern Atomwaffen oder Teile davon stationiert. Zu dieser Erkenntnis kamen die Atomwaffen-Experten Robert Norris, William Arkin und William Burr nach dem Studium eines bislang geheimen Dokuments des US-Verteidigungsministeriums aus dem Jahre 1978. Das Pentagon mußte das Papier nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem privaten politischen US-Forschungsinstitut "Natural Resources Defense Council" (NRDC) im Rahmen des Gesetzes über die Informationsfreiheit (Freedom of Information Act - FOIA) veröffentlichen.
Das Dokument ist an vielen Stellen aus Gründen der "nationalen Sicherheit" geschwärzt. Den Wissenschaftlern gelang es in mühevoller Kleinarbeit durch Analyse von Querverweisen, die Identität fast aller Stationierungsländer zu ergründen und die Art und Anzahl der jeweils gelagerten Atomwaffen zu dokumentieren. Ihren Forschungsbericht haben sie in der Novemberausgabe des Bulletin of the Atomic Scientist veröffentlicht.

Heimlich aufgestellt

Dem Bericht zu folge wurden viele Länderund abhängige Gebiete nicht über die   Stationierung der Atomwaffen informiert. Unter den Ländern befinden sich auch solche, die sich strikt gegen die Weiterverbreitung und Stationierung von Atomwaffen ausgesprochen haben. Überraschend sei es gewesen, daß auch in Marokko, Island und Grönland Atomwaffen gelagert wurden. Auch Japan, das als einziges Land jemals Opfer von Atombombenabwürfen wurde, war nicht über die Stationierung von ca. 1000 Kernwaffen auf der Insel Okinawa informiert.
Ende der 60er Jahre hatten die USA etwa 7000 Atomwaffen außerhalb ihres Territoriums gelagert, davon mehr als die Hälfte in Westdeutschland. Seit 1955 waren insgesamt 21 verschiedene Typen von Atomwaffen in der BRD stationiert.

Auch heute noch US-Kernwaffen in Europa

Nach dem Bericht im Atom-Bulletin haben die USA heute etwa 150 Atomwaffen in Europa stationiert. Diese sollen in den NATO-Staaten Belgien, BRD, Großbritannien, Griechenland, Italien und der Türkei in insgesamt zehn US-Militärbasen lagern. Sie ständen im Ernstfall auch den Stationierungsländern selbst zur Verfügung, können aber nur durch US-Militärs scharf gemacht werden.
Der Bericht löste im Stationierungsland Italien eine heftige Debatte aus. Dort sollen im norditalienischen Luftwaffenstützpunkt Aviano 20 Sprengköpfe und weitere 10 in Ghedi Torri (bei Brescia) lagern. Der Italienische Umweltminister Edo Ronchi forderte den Abzug aller US-Atomwaffen aus Europa. Andere italienische Politiker berichteten, daß sie über die Stationierung Bescheid gewußt hätten, aber über den Umfang überrascht seien. Die italienische Regierung will nun das Parlament über die Stationierung der Atomwaffen und die damit verbundenen Gefahren informieren.
Das Pentagon schweigt zu der Veröffentlichung im Bulletin of the Atomic Scientist. Sein Sprecher Bacon teilte der Presse am 20. Oktober mit, daß es außerhalb der USA nur "eine sehr begrenzte Anzahl" von amerikanischen Atomwaffen gäbe. Genauere Angaben könne er "aus Sicherheitsgründen" jedoch nicht machen.
[Quelle: Bulletin of the Atomic Scientist, 11/12 1999]